Auf dem Weg zur Natur mit Minimalgepäck – Stefan Erdmann über die Dreharbeiten zu seiner neuen Filmedition „Island 63° 66° N“

Ultralight Hiking: Das ist Wandern mit möglichst wenig Gepäck. Wenn Deutsche dieser speziellen Bewegungsform nachgehen, dann sind sie meist überdurchschnittlich gut ausgerüstet und verfolgen sportliche Ziele. Beim Chiemgauer Filmemacher Stefan Erdmann lag das alles etwas anders: Das puristische Gepäck, mit dem er alleine und zu Fuß viele Kilometer für seine Filmedition auf Island zurücklegte, war vor allem seiner schweren Filmausrüstung geschuldet. Bei seinen Touren ging es ihm nicht um sportliche Höchstleistungen, sondern um atemberaubende Aufnahmen für seinen Film „Island 63° 66°N“. Die Zielsetzung seines überaus sensiblen Projektes bestand darin, den Zuschauer an seinen Island-Erfahrungen und an seiner Reise in die Faszination und Stille der isländischen Natur selbst teilhaben zu lassen. Konkret bedeutete das: bewusst auf den deutschen Ausrüstungswahnsinn zu verzichten und die anspruchsvolle Outdoor-Tour nicht nur mit leichtem, sondern auch mit einfachem Gepäck bestreiten.
Stefan, wie haben Sie sich auf Ihre oft mehrtägigen Wanderungen im Hochland Islands vorbereitet?
Für meine Islandtour brauchte ich keine extra Vorbereitung, weil ich schon vorher in einer guten körperlichen Verfassung war. Auf die war ich allerdings auch wirklich angewiesen: Standardmäßig habe ich 30 Kilo Technik dabei, manchmal noch mehr: zwei Kameras, Stativ, Mac Book, ein Haufen Akkus sind Mindestausstattung. Meine Vorbereitung gilt immer mehr dem Equipment als meinen persönlichen Dingen.
Wie sieht Ihre Packliste für ein Mammutprojekt wie den Dreharbeiten zu „Island 63° 66° N“ aus?
Für die Dinge die wirklich nötig sind braucht´s kaum eine Liste: Das Zelt hab ich bei den meisten Touren zuhause gelassen, da ich im Hochland in Hütten oder direkt unter freiem Himmel schlafe. Da tut’s auch Isomatte und guter Schlafsack mit kleinem Packmaß. Pflicht in Island sind Gore-Tex Stiefel: Im Hochland hat man es mit allen nur denkbaren Untergründen zu tun, knöcheltiefe Sand- und Schneefelder, rutschige Felsplatten, Morast, Geröll, scharfe Lavafelder etc. – da muss der Schuh wirklich richtig robust sein. Und die Klamotten hab ich fast vollständig vom isländischen Bekleidungshersteller 66°N bezogen – die sind für das Wetter da oben gemacht und haben mich sogar beim stundenlangen Anstehen am Motiv warmgehalten.
Und Nahrungsmittel?
Mit dem ganzen Filmkram wird’s auch mit Nahrungsmittel sehr puristisch: Superwichtig ist natürlich genug Wasser, zu Essen gibt’s dünn geschnittenes Vollkornbrot, Käse, Tomaten Brotaufstriche und proteinhaltige Energieriegel und hartgekochte Eier, die ich mir in einem Gästehaus vor meinen Wanderungen hart kochen lasse. Ich bin kein Fan von Fertigsuppen, deswegen habe ich auch keinen Gaskocher dabei. Bisher bin ich mit meiner sehr puristischen Ernährungsweise sehr gut zurechtgekommen.
Hat dieses puristische Element auf Ihren Film durchgefärbt?
Ich denke schon – „Island 63° 66° N“ zeigt die schönsten Seite der Insel, ihre Tiefe, ihre Stille. Ich denke, dass man für diese Seiten der Natur empfänglicher ist, wenn man möglichst viele Errungenschaften aus der der Zivilisation zu Hause lässt.
Wo sind für Sie Islands schönste Orte? Haben Sie eine Lieblingsroute?
Island zu Fuß zu erleben, und sich damit ganz nah an der Natur und den grandiosen Landschaften zu bewegen, gehört für mich zu den schönsten Erlebnissen in meinem Leben. Hier mein Geheimtipp für eine Traumroute mit GPS Angaben; viele der Orte sieht man in meinem Film…
1. Skógar 63° 31,616’N, 19° 30,653’W
2. Fimmvörðuháls N63°37’15.6″ W19°26’25.2″
3. Básar N63°40’42.6″ W19°28’52.2″
4. Langidalur N63°41’05.9″ W19°30’40.1″
5. Botnar N63°45’58.0″ W19°22’26.5″
6. Hvanngil N63°49’55.8″ W19°12’16.2″
7. Álftavatn N63°51’26.8″ W19°13’36.4″
8. Hrafntinnusker N63°55’59.6″ W19°10’04.9″
9. Landmannalaugar N63°59’27.2″ W19°03’32.0″
Über Island 63° 66° N
Island 63° 66° N, eine bildgewaltige Hommage an die größte Vulkaninsel der Erde, gehört zu den bisher eindrucksvollsten Naturdokumentationen über Island. In der dreiteiligen Filmedition, die seit November 2011 erstmals als gesammeltes Werk auf DVD und Blu-ray erhältlich ist, zeigt der Filmemacher Stefan Erdmann dem Betrachter die Kraft und Schönheit dieser Naturlandschaft auf eine nie da gewesene Art. Erdmann legte bei seinen rund 20 Island-Reisen insgesamt 50.000 km auf der Insel zurück – größtenteils alleine und mit einer 100 kg schweren Filmausrüstung im Gepäck. Er filmte nicht nur alleine, sondern übernahm auch den Schnitt und die Vertonung, die Island 63° 66° N zu einem Gesamtkunstwerk der besonderen Art macht. So findet sich der Zuschauer eins zu eins in Erdmanns Perspektive wieder: In der des einsamen Wanderers, der sich in der Kulisse einer atemberaubenden Landschaft selbst findet. In den Worten Erdmanns: „Wer die Einsamkeit liebt, wer mit sich ist, wird in Island eins mit allem sein.“ Stefan Erdmann tourt seit Januar 2012 bundesweit durch Deutschland und stellt persönlich seine Filmedition „Island 63° 66° N“ sowie seine persönlichen Erfahrungen vor. (Termine: www.islandfilm.de)
Weitere Informationen erhaltet Ihr unter: www.ksmfilm.de/island bzw. unter www.islandfilm.de
Bild & Quelle: ksmfilm